
Kleinblittersdorf. Etwa 15 lange Telefonate am Tag, viele Videokonferenzen und Krisenmanagement – so sahen die letzten acht Wochen der Amtszeit von Stephan Strichertz (parteilos) als Bürgermeister der Gemeinde Kleinblittersdorf aus. „Ich bin schon etwas gerädert. Die Termine am Abend fallen zwar weg, aber dafür ist der Tag vollgestopft mit Aufgaben. Ich hätte mir in den letzten Wochen mehr Kontakt zu den Menschen und den Vereinen in der Gemeinde gewünscht. Das hat mir in den 18 Jahren mit am meisten Spaß gemacht“, sagt Strichertz.

Am 30. April ist Schluss, dann räumt der 59-Jährige seinen Platz im Kleinblittersdorfer Rathaus, gibt sein Diensthandy und den Schlüssel ab. Am 1. Mai übernimmt Rainer Lang (SPD) das Amt. Bei der Frage, was ihm am wenigsten Spaß gemacht hat, kommt die Antwort sofort. „Die Ratssitzungen. Es gab in der Zeit zwar auch gute und konstruktive Sitzungen, aber das waren die Ausnahmen. Seit 2015 waren die Sitzungen nur noch anstrengend. Ich hatte zwar gehofft, dass es mit dem neuen Gemeinderat und mehr Parteien ab Sommer 2019 besser wird, aber es wurde schlimmer“, sagt Strichertz.

18 Verfahren leiteten Mitglieder der Gemeinde-Gremien bei der Kommunalaufsicht gegen Strichertz ein. Hinzu kamen ein disziplinarrechtliches Verfahren und eine Strafanzeige gegen den Bürgermeister – ebenfalls eingeleitet von Mitgliedern des Gemeinderates. Alle Verfahren wurden vorzeitig eingestellt.

„Das waren immer wieder die gleichen lokalen Politiker. Es waren vielleicht sechs Stück. Einige kamen später, entschuldigten sich und sagten, dass sie mir nur eins auswischen wollten. Die Respektlosigkeit in den Räten war ganz schlimm“, sagt der Jurist, der mit diesen Themen aber mittlerweile abgeschlossen hat. Vor seinem Job als Bürgermeister war er Anwalt. Ein Beruf, bei dem durchaus mehr Geld zu verdienen ist. Wieso dann ausgerechnet Bürgermeister?

„Das war nach einem Handballtraining Ende der 1990er Jahre in Hanweiler. Christoph Brettar, ein Freund von mir, der witzigerweise den Spitznamen Bürgermeister hatte, sagte zu mir, dass ich eigentlich der richtige Kandidat für die CDU als Bürgermeister wäre. Wir hatten damals gelacht, aber ich fing ernsthaft an, darüber nachzudenken“, erzählt der Noch-Bürgermeister. Er beriet sich mit seiner Frau und startete als erster parteiloser Kandidat einen mühsamen Häuserwahlkampf.

2001 gewann er in einer Stichwahl mit 60 Prozent aller Stimmen gegen den Amtsinhaber Günther Brettar (SPD). Am 1. Mai 2002 trat der Sieger sein Amt an – allerdings ohne Rathausschlüssel. „Ich hatte in den ersten Tagen keinen Schlüssel und musste zuerst einmal nachfragen, ob ich einen kriege. Dann bekam ich aber einen“, erinnert sich Strichertz und lacht. Es folgten zwei Amtsperioden, die mit Höhepunkten nur so gespickt waren.

Die abgelehnte Photovoltaikanlage von Bliesransbach, die Eröffnung der Saarland-Therme in Rilchingen-Hanweiler, die Schließung des Hallenbades von Kleinblittersdorf, der Bau des gemeinsamen Feuerwehr-Gerätehauses zwischen Sitterswald und Auersmacher, das abgelehnte Bordell in Kleinblittersdorf, das Jahrhundert-Unwetter in der ganzen Gemeinde und nicht zuletzt die Corona-Pandemie.

Privat zog Stephan Strichertz bereits im Jahr 1996 von Kleinblittersdorf nach Neunkirchen-Kohlhof in den Heimatort seiner Frau. Das absolute Treffen mit dem Schicksal hatte der heute 59-Jährige im April 2010. „Wir waren in Frankreich wandern, und mir wurde plötzlich schlecht, und ich bekam Rückenschmerzen. Ich dachte zuerst, es wäre eine Magen-Darm-Infektion, da ich auch die Symptome hatte. Aber es war schlimmer“, erzählt Strichertz.

Erste Tests ergaben sehr hohe Blutzuckerwerte. Erst fünf Tage später wurde nach weiteren Untersuchungen klar, dass der Bürgermeister einen Herzinfarkt erlitten hatte. Dann ging es mit dem Notarzt ins Krankenhaus, und es folgte noch am gleichen Tag die Operation. Es war der 30. April, der letzte Tag, an dem Strichertz die Urkunde für seine zweite Amtsperiode in Empfang nehmen konnte. Ansonsten hätte Kleinblittersdorf keinen Bürgermeister gehabt, und es hätten zudem Probleme bei den Versorgungsansprüchen des Wahl-Neunkirchers geben können.

„Kurz nach der OP bekam ich unter Aufsicht der Professoren auf der Intensivstation die Urkunde vom damaligen ersten Beigeordneten Andreas Dax überreicht. Das war verrückt, und ich kann mich kaum noch daran erinnern“, blickt Strichertz zurück. Trotz einiger Gegner in den Gremien, war die Stimme des Volkes aber immer pro Strichertz. Im Jahr 2009 wurde er mit knapp 70 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Auch bei der Wahl im vergangenen Jahr wäre er der klare Favorit gewesen, doch er trat aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an.

Die vergangenen und die kommenden Tage bis zum 30. April wären normalerweise voll mit Abschiedsfeiern gewesen. Die Feuerwehren hatten sogar die Jahreshauptübung auf den 26. April vorverlegt. Doch das Coronavirus machte dem Ganzen einen Strich durch die Rechnung. „So wie es aktuell aussieht, wird auch am 30. April keine Feier stattfinden. Ich mache meinen Job, sperre abends ab, und das wars dann“, sagt Strichertz nach 18 Jahren als Bürgermeister der Gemeinde Kleinblittersdorf. Nach Informationen von Saarlokal ist es aber nur eine Frage der Zeit, bis Stephan Strichertz doch noch seine große Abschiedsfeier bekommt. Die Planungen für ein Fest nach der Corona-Zeit sollen schon laufen.
Bildergalerie (120 Fotos) - 18 Jahre Bürgermeister Stephan Strichertz
Text und Fotos: Heiko Lehmann